Catcalling strafbar machen: Notwendig oder "schwer praktikabel"?
Catcalling strafbar machen: Notwendig oder "schwer praktikabel"?

Catcalling bestrafen: Notwendig, aber "schwer praktikabel"?

Catcalling strafbar machen: Notwendig oder "schwer praktikabel"?
Catcalling bestrafen: Notwendig, aber "schwer praktikabel"?
Ja. Es ist wirklich dämlich, dass es strafbar ist, wenn ich irgend so einem Heipoei im Straßenverkehr den Vogel zeige... Aber Catcalling ist natürlich vollkommen okay...
Ich denke Beleidigung ist ein gutes Beispiel, weil es ziemlich unbestimmt ist, und die Urteile oft weit auseinandergehen.
Das hat man im Kontext von Politikys am Beispiel von Renate Künast vs. den Hamburger Pimmelsenator Andy Grote gesehen. Bei Künast hatte das LG-Berlin zunächst geurteilt, dass sie als Politikerin auch harte Beleidigungen als Meinungsäußerung ertragen müsse, wenn ein "Sachzusammenhang" bestehe. Das Urteil wurde dann geändert, weil eine andere Kammer zu dem Schluss kam, dass das vermeintliche Zitat, zu dem der "Sachzusammenhang" bestünde, als Falschzitat erkennbar war.
Die Beleidigungen sind im verlinkten Artikel erwähnt, und ich werde sie hier nicht noch mal schreiben. Ich denke für die meisten Menschen ist "1 Pimmel" dagegen ziemlich milde.
Damit ist bezogen auf Catcalling die erste Frage, warum Beleidigungen mit sexuellem Bezug zur Zeit nicht ausreichend verfolgt werden. Die Beispiele im Artikel lesen sich so, dass sie auch in der aktuellen Rechtslage strafbar sein können. Fehlt es an Bewusstsein der rechtlichen Möglichkeiten bei den Opfern? Fehlt es am Willen der Polizei / Justiz, sowas angemessen zu verfolgen? Wie sehr ist Sexismus bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten ein Problem?
Die nächste Frage ist, welchen Mehrwehrt es bringt, speziell "catcalling" als eigenen Straftatsbestand aufzunehmen. Bzw. welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit das dann auch tatsächlich verfolgt wird.
Wobei auch die Hausdurchsuchung bei Pimmelgate rechtswidrig war und die Ermittlungen eingestellt wurden.
Tja, IANAL. Aber ich denke das Hauptproblem ist, das wir mit $184i StGB einen expliziten Paragraphen zu sexueller Belästigung aufgenommen haben. Und der nimmt das aber komplett aus. "Wer [...] körperlich berührt und dadurch belästigt [...]". Und damit ist jemandem hinterherpfeifen, Flittchen nennen oder gestikulieren, dass man einen gelutscht bekommen möchte hier überhaupt nicht abgedeckt. Und das über andere Paragraphen wie Beleidigung abzudecken, ist wohl in einigen Randfällen nicht so ganz einfach.
Ich meine, ich weiß auch nicht warum man da nicht ein paar genaue klärende Worte zu ins Gesetz aufnehmen sollte, da sind ja schon haufenweise Spezialfälle drin. Von Vojeuraufnahmen, Exhibitionismus, ob man Prostitution in der Nähe von Schulen betreiben darf, Prostituierte ausnutzen darf, mit Verwandten schlafen darf, eine Doppelehe beantragt, und wie lange man dafür in den Knast wandert, ist haarklein in vielen Paragraphen aufgeführt.
Aber klar. Das etwas strafbar ist, und in der Praxis auch verfolgt wird, geht irgendwie Hand in Hand. Sonst kann man sich das eigentlich sparen.
Bzw. welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit das dann auch tatsächlich verfolgt wird.
Die Justiz ist ziemlich überlastet. Für normale Beleidigungen bleibt keine Zeit. Da gibt es dann "kein öffentliches Interesse" an einer Strafverfolgung und der Fall wird abgeschlossen. Würde man ein Vielfaches an Staatsanwälten und Richtern einstellt, würden die schon alle was zu tun finden.
Außerdem muss man den Beschuldigten erst mal finden. Unter Bekannten wird sowas ja normalerweise zivil geregelt. Wenn einer nicht bekannt ist, dann macht man wegen sowas auch keine Großfahndung. Da könnte natürlich Videoüberwachung mit KI-Unterstützung heute schon viel erreichen. Viele hier werden wahrscheinlich entsetzt über den Gedanken sein. Deswegen würde ich empfehlen, über den Zusammenhang von Überwachen und Bewachen nachzudenken.
Es ist wirklich dämlich einen so gottserbärmlichen Strohmann aufzustellen. Den "Vogel zeigen" fällt unter Beleidigung. Ein entsprechend belästigender Catcall genauso. In beiden Fällen steht Aussage gegen Aussage - im Zweifelsfall gewinnt also, wer einen -nicht verwandten- Zeugen mitbringt. Ob der allerdings die Wahrheit sagt, oder evtl. an einer Retourkutsche beteiligt ist, ist die andere Frage. Abgesehen davon haben Autos Nummernschilder...
Naja, die Parallele ist, dass Beides vielleicht auf der anderen Seite nicht ganz so schöne Gefühle hervorruft. Und wo man dort die Grenze zieht, ist meiner Meinung nach ziemlich willkürlich. Ist es okay jemandem ungefragt meine Meinung mitzuteilen, dass ich sein/ihr Verhalten für dämlich halte? Ist es okay ihnen ungefragt und lautstark mitzuteilen, dass ich gerade sexuelle Gefühle für sie habe? Ich denke das sind schon verschiedene Sachen, zumindest wenn ich mir eine Definition überlegen muss. Es kitzelt aber an der gleichen Stelle in meinem Unrechtsempfinden. Ich halte das überhaupt nicht für einen Strohmann, sondern für den nahegelegenen Vergleich. Gerade auch wenn man überlegt, dass das eine im Moment mangels Strafbarkeit über das Andere abgewickelt werden muss. Sofern es denn möglich ist... Was ja hier eine der Fragen ist, die im Raum stehen...
nicht verwandten- Zeugen
Ach, muss gar nicht. Hab gerade neulich eine Entscheidung gelesen, die rein auf Grundlage der Zeugenaussage der Ehefrau zugunsten ihres Mannes ausgefallen ist. Fand ich auch irgendwie komisch. Aber gut, ging auch gegen einen Fahrradfahrer und die Eheleute waren im Auto, das gab vmtl. Bonuspunkte.
In unseren Gesetzen stehen z.B. "sexuelle Belästigung" oder ähnliche Begriffe.
Sowas blödes. Viel zu staubtrocken und zu präzise. Da ist doch so ein neudeutsches Schlagwort einfach besser geeignet! Wozu? Zum Schlagen natürlich. Und um es schön unscharf umdefinieren und umdeuten zu können. Damit man wieder mal was hat, worüber man sich und andere aufregen kann.
Sexuelle Belästigung ist immer wenigstens teilweise körperlich. Bei rein verbaler Belästigung kann man da also nichts machen. Zumindest laut Strafrecht.
nichts machen.
Machen kann man immer was. Dann passt eben ein anderer Paragraph, vielleicht Nachstellung, Beleidigung...
Dann wäre doch das sinnvollste die Definition von sexueller Belästigung zu erweitern oder nicht? Also ich bin kein Anwalt oder so aber nach meinem Empfinden ist Catcalling sexuelle Belästigung.
Spricht da irgendwas gegen was ich gerade übersehe? :0
Ey du Katze!
Woher kommt das Wort??
Catcalling [ˈkætkɔːlɪŋ] (deutsch etwa „Katzen-Rufen“) bezeichnet sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder sonstige Laute im öffentlichen Raum, wie das Hinterherrufen sowie Nachpfeifen für gewöhnlich durch Männer gegenüber Frauen.[1] Dies stellt eine Form der verbalen sexuellen Belästigung dar. Der Begriff stammt aus der englischen Umgangssprache.
Ich glaube eher, dass man es mehr mit Mieze als mit Katze übersetzten sollte. Was für eine süße Mieze und so.
Hmm. Ich glaube, das bezieht sich auf das Gejaule von Katzen, was auch als Paarungsruf dient. In älteren Cartoons sind es anthropomorphe Kater, die catcallen.
"Cat" kenne ich nur angewandt auf Männer. ZB Fritz the Cat. Frauen sind "Kitten", "Kitty", oder "Pussycat". "Cat" nur als Kurzform für Catherine, aber nicht als allgemeine Bezeichnung.
Da muss man wissen, dass 'cat' im Englischen normalerweise männlich verstanden wird, im Deutschen dagegen weiblich. Deshalb sind viele Verwendungen nicht 1:1 übersetzbar.
:(
Vor 10 Jahren oder so hätte ich ja noch gedacht, dass man Beleidigung irgendwann abschafft. Dass sich die Einstellung durchsetzt, dass Beleidigung als Straftat nicht reicht, hätte ich nicht gedacht.
Bei der Beleidigung muss immerhin noch der böse Wille da sein. Hier soll wohl auch soziale Unbeholfenheit bestraft werden. Ein subjektives Belästigungsgefühl dürfte auch stark davon abhängen, ob jemand zu erkennbar zu einer Minderheit gehört, also zB migrantisch oder auch LGBTQ. Ich weiß nicht wirklich, wie das funktionieren soll.
Vielleicht ist Hysterie um Minderheiten mit ein Auslöser für solche Vorhaben.
Hier ist ein Gesetzesentwurf vom Land Niedersachsen: https://dserver.bundestag.de/brd/2024/0519-24.pdf
Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise verbal oder nonverbal erheblich belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.
Es werden sicher nur sehr wenige Fälle als "erheblich" gesehen werden. Eine verunglückte Anmache ist wahrscheinlich nicht erheblich. Allerdings durchaus abgedeckt.
In jedem Fall muss Vorsatz nachgewiesen werden. Wenn die Social Skills fehlen, dann ist eben kein Vorsatz da. Wenn jemandem klar ist, dass eine Anmache vielleicht unwillkommen ist, dann ist bedingter Vorsatz.
Ich frage mich, wie es aussieht, wenn jemand hoffnungsvoll fragt: "Bist du schwul?"
In der PDF oben sind Beispiele genannt:
Der zur Tatzeit 65-jährige Angekl. traf am 7.11.2016 auf offener Straße auf die ihm unbekannte 11-jährige K und forderte das Kind auf, mit ihm zu kommen. Als das Mädchen dieser Aufforderung nicht nachkam, folgte er ihr und äußerte, dass er mit ihr spazieren gehen wolle, „weil er an ihre Muschi fassen wolle“. Auf diese einmalige Äußerung des Angekl. rannte das Kind davon.
Am 9.11.2016 traf der Angekl. an einem Wanderweg auf die ihm unbekannte 75-jährige R. Ihr gegenüber äußerte der Angekl. unvermittelt zweimal „Ich will Dich ficken“, woraufhin R die Flucht ergriff.
Am 26.11.2016 traf der Angekl. an einem anderen Wanderweg auf die ihm unbekannte 63-jährige W. Der Angekl. wandte sich der Spaziergängerin zu und äußerte einmalig „Ich will Deine Muschi lecken“.
Ich bin überrascht, dass die Sache mit der 11-Jährigen nicht strafbar war. Das unter so einen Belästigungsparagrafen zu stellen, gibt für mich nicht so viel Sinn. Ich würde mir eher Therapiemaßnahmen wünschen, um zu verhindern, dass der Angeklagte Kinder missbraucht. Prävention und nicht Strafe. Eine angemessene Strafe würde in keinem Verhältnis zu möglichen zukünftigen Verbrechen stehen.
Die anderen 2 Beispiele geben mehr Sinn. Angenommen das sind die relevanten Fakten, dann klingt es, als sei es da nur ums Schocken gegangen. Mir stellt sich aber auch die Frage, warum man es auf Sexuelles beschränkt, und nicht allgemein Angst einjagen strafbar macht.
Ich bin überrascht, dass die Sache mit der 11-Jährigen nicht strafbar war.
Die Begründung steht im Text. Es war nicht strafbar im Sinn §185 StGB Beleidigung, da der "Angriff auf die Ehre" nicht nachgewiesen werden konnte.
"...Im Zusammenhang mit der Vornahme sexuell motivierter Äußerungen liegt ein Angriff auf die Ehre nur vor, wenn der Täter zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise insoweit einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Eine ehrverletzende Kundgabe von Missachtung liegt regelmäßig nicht allein in der sexuell motivierten Äußerung des Täters. Denn allein die sexuelle Moti- vation des Täters, mit der er den Betroffenen unerwünscht und gegebenen- falls in einer ungehörigen, das Schamgefühl betreffenden Weise konfrontiert, genügt für die erforderliche, die Strafbarkeit begründende, herabsetzende Bewertung des Opfers nicht. "
Angenommen das sind die relevanten Fakten, dann klingt es, als sei es da nur ums Schocken gegangen. Mir stellt sich aber auch die Frage, warum man es auf Sexuelles beschränkt, und nicht allgemein Angst einjagen strafbar macht.
Sofern es nur ums Schocken gegangen ist, wäre das dann nicht eine angedrohte Strftat (§177 StGB Sexueller Übergriff)? Angst aufgrund angedrohter Straftaten wäre möglicherweise §241 StGB Bedrohung.
Die Kommentare verdeutlichen ganz gut, warum so eiein Gesetz eigentlich Notwendig ist.....
Das ich mal der Union recht geben muss… Ich hasse es…
Der Großteil der Pro-Argumente geht komplett am Thema vorbei und der Beleidigungsparagraph ist bereits heute verfügbar und hat mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe nun auch wirklich genug Biss. Das Problem ist damit ein Durchsetzungsproblem und von denen wurde keines je durch mehr Verbote und die allerwenigsten[1] durch härtere Strafen gelöst.
Auch mit den „in anderen Ländern“-Argumenten muss man immer sehr vorsichtig sein: Teilweise sind da halt Dinge unter dem Titel unter Strafe gestellt, die in Deutschland unter Beleidigung und Sexuelle Belästigung fallen, während das eigentliche Catcalling allerhöchstens in der Theorie darunter fällt. (AFAIR gab es da „den ersten abgeurteilten Fall in NL“, bei dem man dann bei näherer Betrachtung festgestellt hat, dass der mindestens als sexuelle Belästigung, eventuell sogar als Körperverletzung strafbar wäre.)
Hinzu kommt, dass die Grenze zwischen Kompliment und Catcalling fließend ist, und die Gesellschaft ein schlimmerer Ort wäre, wenn wir Komplimente strafrechtlich verfolgen würden.
[1] Prinzipiell kann das bei der Heraufstufung von Vergehen zu Verbrechen (Mindestfreiheitsstrafe > 1 Jahr) aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur Einstellung passieren, aber da will man sehr vorsichtig mit sein, sonst passiert so was wie beim Besitz von Kinderpornographie wo (wie von Jedem der 2 Sekunden in die Rechtslage geschaut hat vorher angekündigt) auf einmal Eltern und Lehrer die Beweismaterial gesichert und zur Polizei gebracht haben verfolgt wurden, weil die nicht sofortige Löschung halt streng genommen strafbar war.
Sorry, immer auf ein angebliches Durchsetzungsproblem zu verweisen ist ein rhetorischer Trick um etwas nicht tun zu müssen.
"Wer soll das denn kontrollieren?", "wie soll man das denn nachweisen?". Das könnte man zu den allermeisten Gesetzen sagen.
Aber Beleidigung, zu enges Auffahren im Straßenverkehr, Handwerksleistungen ohne Rechnung aber auch Raub, Mord oder Vergewaltigung sind trotzdem alle verboten.
Nein, auch da steht nicht die ganze Zeit die Polizei neben einem und stellt sicher, dass man das nicht tut.
Auch da kann der Nachweis, dass es passiert ist schwer bis unmöglich sein; evtl steht am Ende vor Gericht Aussage gegen Aussage.
Aber das heißt ja nicht, dass all diese Dinge erlaubt sein sollen. Vor allem dann nicht, wenn man mal wirklich eindeutige Beweise hat. Bloß weil etwas schwer zu beweisen ist, ist doch kein Grund es auch dann noch durchgehen zu lassen, wenn man Beweise hat.
Dann machen wir also ein Gesetz gegen Catcalling, durchsetzen müssen wir es aber nicht, weil es dann ja verboten ist?
Die genannten Dinge sind alle bereits verboten. Nach deiner Logik sollen wir jetzt wohl die Strafen auf Lebenslänglich erhöhen, oder es noch ein zweites Mal verbieten, oder wie stellst du dir das vor?
Die Lösung ist für diese Fälle besser durchzusetzen, nicht am Recht zu schrauben!
Außer Beleidigung (was Hinterherrufen und verbale sexuelle Belästigung sind) und zu enges Auffahren sind das alles Gegenbeispiele. Unbezahlte Handwerksleistungen, Raub und Mord sind Amme nachweisbar und deshalb auch verboten.
Bei Beleidigung und Hinterrufen sind das ohne Aufnahme eben Aussage gegen Aussage. Um es "durchsetzbar" zu machen, müssten mehr Beamte anwesend sein um deise Verstöße mitzuerleben.
Ich bin ca. 25M und kann mich daran erinnern, als ich 12 Jahre war oder so, hat mir meine Mutter eingedrillt, ich müsse den Menschen mehr Komplimente machen, sowas wie "boah, heute schaust du aber besonders hübsch aus". Weil "die Mädchen mögen das so".
Heute wäre das als sexuelle Belästigung strafbar.
Komisch wie sich die Dinge verändern.