Ich bin mir gerade uneins, ob ich meine Erstimme wie sonst immer einfach verschwenden soll oder gegen massive Gewissenseinwände diese doch der SPD oder den Grünen geben soll.
Persönliche Erklärung: Für mich sind die Grünen seit den 90ern einfach zu weit nach rechts ins neoliberale gerutscht und zu pro-USA.
Die SPD kommt für mich nie wieder in Frage. Ich werde ihr ihre historischen Fehler nicht vergeben (1914, 1918, 1933). Und dazu kommt dann auch noch, dass ich ihr 2016 einmal meine Stimme gegeben habe aus dem Versprechen, dass es keine Groko geben wird. Dann kam diese trotzdem.
Leider wären diese beiden aber die einzigen Erststimmenoptionen.
Wie werdet ihr das machen? Wenn ihr von links kommt, könnt ihr eine Stimme für eine dieser Parteien entschuldigen oder moralisch vertreten? Vor allem wenn entweder beide oder eine dieser Parteien dann sowieso für die CDU wieder auf die Knie gehen wird.
Kann dazu dieses Interview mit Stephen Fry empfehlen. Fand es generell sehr interessant und er erwähnt auch, dass ein Problem von Linken tendenziell ist "Recht haben zu wollen" und dadurch das Mitgestalten eher in den Hintergrund gerät.
Taktisch wählen funktioniert einfach nicht. Wenn du dir die Wahlen als "Markt" für politische Ideen vorstellst, dann hast du als Einzelperson schon mal viel weniger Informationen, als die verschiedenen Parteien auf der anderen Seite, die ganze Teams dafür beschäftigen, die "Stimmung" zu erfassen und Wahlkampftaktiken zu entwickeln.
Wenn du deine Stimme der/dem Kandidaty gibst, die deine Überzeugungen am besten vertritt, dann sendest du ein Signal in den "Markt", dass die Ideen und Eigenschaften des Kandidaty gefragt sind. Deswegen wird auch Wählerwanderung immer so gern analysiert.
Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie taktisch wählen richtig böse schief gehen kann ist die Wahl in Sachsen-Anhalt 2021. Damals drohte die AfD laut Umfragen stärker als die CDU zu werden. In der Folge haben sehr viele Leute CDU gewählt, sodass die CDU mit 37% statt den Umfragewerten von 27% in den Landtag kam.
Wir werden überflutet von russischen Propaganda-Bots und du bist der Meinung, dass hier und da vereinzelt mal mit den USA einer Meinung zu sein voll das Problem ist?
Der ganze Pro-USA-Scheiß hat uns die Situation eingebrockt, dass immer noch riesige Abghängikeiten von den USA bestehen, obwohl der faschistoide, autokratische, saudumme und wahrscheinlich von Putin kontrollierte Kleptokrat Donald Trump ein zweites Mal US-Präsident geworden ist, dieses ach so tolle "verbündete" Land vorhersagbar vor Aller Augen zu einer Diktatur umbaut und sich gegenüber allen Bündnispartnern vorhersehbar immer feindseliger verhält. Spätestens, als der Kasper das erste Mal gewählt wurde, hätte man da dringend EU-weit Vorbereitungen zur Abkopplung von den USA treffen und durchziehen müssen. Denn jetzt sitzt ein russischer Bot im Weißen Haus und wir haben den Salat.
In den letzten Jahren hat uns "bloß Russland nicht ans Bein pissen" von Linke, AfD und Wagenknecht mehr an europäischer Sicherheit gekostet und Inflation eingebracht als irgendwelche Lobhudelei auf die USA.
"hier und da vereinzelt" ist glaube ich nicht die richtige Kategorie, wenn man sich den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Kosovo als ersten Einsatz der Bundeswehr im Ausland und den Irakkrieg und die folgenden Jahrzehnte Drohnenmorde anschaut, die über Ramstein organisiert wurden und werden. Das lief unter Rot Grün schon an. Auch in Sachen Israel/Palästina sind die Grünen praktisch voll auf Linie der USA und klar außerhalb des Völkerrechts, wobei das auf praktisch alle anderen Bundestagsparteien auch zutrifft.
Für mich sind die Beteiligung an Angriffskriegen oder die Duldung der Abwicklung der Logistik von Angriffskriegen, sowie Waffenlieferungen für schwerste Kriegsverbrechen, möglicherweise Völkermord, sehr gute Gründe, um Parteien nicht zu wählen. Das trifft auf die Grünen genauso zu, wie auf die SPD, CDU/CSU, FDP, AfD und BSW. Bei den Grünen fällt es umso mehr auf, weil sie ihre Außenpolitik als dezidiert "wertegeleitet" und "feministisch" bezeichnen. Damit ist ihre Außenpolitik auch Ausdruck davon, was sie unter "Werten" und "Feminismus" verstehen.
Die Angriffe im Kosovo waren nicht von der UN abgesegnet, aber es ist historisch absolut zweifelsfrei belegt, dass das gerade mal 6 Wochen lang Eingreifen der NATO den Kosovo-Krieg beendet hat. Der Kosovo-Einsatz und anschließende KFOR-Friedenssicherung war besser als tatenloses Zusehen und sich für seinen tollen Pazifismus auf die Schulter zu klopfen.
Derselbe Mut als Russland 2014 das Budapest Memorandum gebrochen hat und Hunderttausende Leben wären in der Ukraine gerettet worden.
Aber klar, russische Propaganda konnte damals wie heute nicht leiden, wenn die NATO mal was gutes macht.
Nicht nur vereinzelt. Die Grünen sind komplett Pro-NATO. Und gibt viel mehr Washington Bots als Moskauer im Internet. Über die beschwert sich nur niemand.
NATO ist ein freiwilliges Bündnis und schützt gegen russische Aggression. Wenn man nin behauptet, dass NATO ein Imperium ist, ist man natürlich völlig falsch und labert Bullshit über gesteuerte Washington-Bots.
Kannst du der CDU oder FDP ihre historischen Fehler vergeben?
Ein Verhältniswahlrecht kann keine Koalitionen direkt diktieren. Nichts hält selbst die Grünen davon ab mit der AfD zu koalieren.
Warum genau sind die Grünen oder Linken 2025 unwählbar für dich? Was genau haben SPD und Grüne in der Regierung Scholz I gemacht, dass sie für dich jetzt unwählbar sind?
Bei der CDU und FDP kommen für mich historische Fehler sowieso nicht in Frage. Die werden sowieso von mir niemals gewählt.
Bei Grünen ist mein Problem, dass sie seit den 90ern und mit Beginn durch Joschka Fischer zu weit nach rechts gerutscht sind. Arbeiten selbst mit der CDU zusammen, völlig pro-EU und pro-NATO und neoliberale Politik.
Bei den Linken ist mein Problem, dass für mich das einzig wählbare an ihr Gysi und Wagenknecht waren. Der Rest der Führung ist oder zumindest agiert nur so wie Sozialdemokraten, Linksliberale oder im besten Fall demokratische Sozialisten. Und die Führung an sich ist zu schwach und zerstritten. Die geteilte Parteiführung macht das nur schlimmer. Auch wenn es hier jeder hasst, wähle ich deswegen zumindest mit Zweitstimme BSW. Die Probleme mit Pazifismus und zu russlandfreundlicher Politik sind genauso noch immer in der Linken präsent.
Bei der CDU und FDP kommen für mich historische Fehler sowieso nicht in Frage.
Das mag ja sein, aber wenn du dich nicht für eine der anderen Parteien entscheidest, überlässt du die Entscheidung mehrheitlich für CDU und FDP zu stimmen Anderen. Also wenn du nicht für eine der deiner Politik am nächsten stehende Partei stimmst, stimmt deine CDU/FDP-wählende Nachbarin für dich. Deswegen habe ich den Vergleich historischer Fehler gezogen.
Bei Grünen ist mein Problem, dass sie seit den 90ern und mit Beginn durch Joschka Fischer zu weit nach rechts gerutscht sind. Arbeiten selbst mit der CDU zusammen, völlig pro-EU und pro-NATO und neoliberale Politik.
Die Grünen haben vor 16 Jahren zB gegen die Schuldenbremse gestimmt. Wir sind jetzt aber in den 2020ern.
(Generelle) Euroskepsis kann ich nicht nachvollziehen, demokratische schon.
Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstbestimmung so wie andere osteuropäische Länder auch. Die NATO ist derzeit die einzige Organisation die dies strategisch einhält.
SPD und Grüne sind so sehr Teil des Problems, dass ich sie für absolut nicht mehr wählbar halte. Die Rot/Grüne Regierung Schröder/Fischer hat mit ihrem beispiellosen Sozialabbau die Gesellschaft überhaupt erst an den Rand dieses Abgrunds gebracht, seitdem haben SPD und Grüne immer wieder bewiesen, dass soziale Politik für sie nicht mehr ist, als pseudolinke Wahlkampf-Folklore.
Ich habe auch sehr große Bauchschmerzen mit dem Pseudo-Friedensscheiß, den die Linke immer noch abzieht, aber kann mir unter Umständen vorstellen, die trotzdem zu wählen (mit extremen Bauchschmerzen), dass wenigstens eine ansatzweise soziale Partei in den Bundestag kommt.
Was treiben denn die Direktkandidaten unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit?
Ich werde voraussichtlich Erststimme SPD wählen, obwohl ich die Partei genauso sehe wie du (mit mehr historischen Fehlern, die ich ihr nicht verzeihe, v.a. aus den Schröderjahren). Ich meine, erstens sind die Erststimmen noch egaler als sonst, was aber den Ausschlag gegeben hat ist, dass unsere SPD Kandidatin hier immerhin zu den Initiatoren des AfD Verbotsprüfungsantrag gehört hat. Vielleicht haben ja die Direktkandidaten bei euch auch irgendwas cooles abseits ihrer Partei getan.
Edit: und man kann sich einreden, dass vielleicht das Direktmandat von ihr das Einziehen eines Seeheimer Trottels per Landesliste verhindert, sie scheint ja eher ne Parteilinke zu sein. Aber das setzt halt voraus, dass einer der Direktkandidaten irgendwann mal sowas wie Rückgrat hat durchblitzen lassen, um sich diese Wahl per Erststimme schönzureden
Ich überlege mir auch, mit der Erststimme die SPD zu wählen. Alternativ wäre eine Kleinpartei. Das Argument für die SPD ist vor allem, dass ich nicht will, dass die CDU den Wahlkreis gewinnt - laut einer Umfrage sieht das zurzeit danach aus. Außerdem hab ich mich nach dem Direktkandidaten der SPD erkundigt und zu meinem Erstaunen erfahren, dass er sich für das für mich wichtigste Thema einsetzt.
Was meinst du mit verschwenden? Nicht wählen lohnt sich nie weil du dann einfach für den Gewinner stimmst
Aber anders als viele hier finde ich such eine Stimme die an eine Partei unter 5% geht ist nicht verschwendet
auch wenn du grüne oder SPD wählst geht deine persönliche Stimme nicht 1 zu 1 in einen Sitz über. Ja wenn genug Kleinparteienwähler von einer Partei überzeugt wären hätte das einen signifikanten Effekt aber das hat mit deiner Stimme ja nichts zu tun.
Einer kleine Partei kannst du mit der Stimmen zeigen das ihre außer parlamentarisch Arbeit geschätzt wird und du kannst dafür sorgen dass sie je nach Anzahl der Stimmen bekommt sie mediale Aufmerksamkeit oder sogar staatliche Finanzierung des Wahlkampf
Wenn jeder die Partei wählt die ihm am besten vertritt haben wir nicht nur den repräsentativen Bundestag es zeugt den Parteien die ihm Parlament sitzen vielleicht auch welche Meinung sie vertreten müssten um neue Wählerschaft zu ergründen
Ich stimme einigen deiner Punkte nicht zu aber für mich ist Politik ganz einfach:
Finde die Partei die dir entspricht, unterstütze sie und wenn du die Kapazitäten hast versuch sie so minimsl woe es halt möglich ist in eine Richtung zu lenken die dir gefällt
Also warum Bauchschmerzen haben für die 0.00001067796 Sitze im Bundestag die deine Stimme wert ist
Die Erststimme beeinflusst die Mehrheitsverhältnisse nur, wenn damit ein (parteiloses) Einzelbewerby in den Bundestag gewählt wird bzw. der Sieg eines (parteilosen) Einzelbewerbys verhindert wird, ansonsten ist sie was die Mehrheitsverhältnisse angeht vollkommen irrelevant.
Dir ist schon klar, dass die Weigerung der KPD mit Demokraten zusammenzuarbeiten das Problem war? Die haben die SPD Sozialfaschisten genannt und auf das Ende der Demokratie hingearbeitet.
Der SPD für alles die Schuld zu geben ist Geschichtsklitterung.