Wie kann bezahlbarer und attraktiver Wohnraum geschaffen werden? Diese Frage beschäftigt Experten und Politik. Hamburg will es jetzt mit einem Konzept versuchen, bei dem auf DIN-Normen etwa beim Schallschutz verzichtet wird.
Außerdem solle geprüft werden, wo im Planungsablauf Bauherren, Baufirmen und Behörden besser zusammenarbeiten könnten. Laut Pein würden hier auch vergleichsweise kleine Dinge helfen, wie ein Organigramm, das aufzeigt, wer für was in der Verwaltung bei Genehmigungsverfahren zuständig ist.
Ja, so was würde auch abseits vom Bau bei vielen Interaktionen mit Behörden helfen.
Der Verzicht auf überhandnehmende Normen ist ein guter Schritt, aber dass man Häuser zukünftig per Steckleiter evakuieren will, ist einfach so dermaßen kurz gedacht. Schon mal an Menschen mit körperlichen Einschränkungen und bettlägerige Personen gedacht?
Ich bin bei dem Thema Normen etwas zwiegespalten. Einerseits ja, ist es mittlerweile schwierig bei der großen Anzahl den Überblick zu bewahren, andererseits denke ich mir, dass eine Norm auch hilft, wenn es darum geht die verlässlich zu planen und zu vergleichen.
Ich bin zwar kein Architekt oder ähnliches, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das Problem eher ein kafkaeskes Konstrukt ist, wo man erstmal irgendwie herausfinden muss, welche Normen muss ich den überhaupt befolgen und woher soll ich das wissen? Das ist ja häufig so in der Bürokratie. Die Lösung ist meiner Ansicht nach aber nicht zwangsweise Vorschriften wieder abzuschaffen, sondern die Informationen besser aufzuarbeiten.
Die deutsche Unfähigkeit klare Verantwortlichkeiten zu benennen oder gar Organigramme zu haben, trägt sicherlich auch bei, aber es ist inzwischen ein offenes Geheimnis, dass gerade in der Baubranche, die meisten DIN-Normen fast exklusiv von Vertretern der Hersteller geschrieben werden.
Ich will ja keine Deregulierung auf amerikanischem Niveau, aber ein offener Dialog, welche Normen überzogen sind, würde fraglos helfen.
Letzteres. Du hast schon mal 16 Landesbaugesetze. Dazu kommen dann örtliche Bauordnungen, Anforderungen aus Bebauungsplänen, Fragen inwieweit die lokale Aufsicht auch Ausnahmen zulässt...
Die Schwierigkeit ist, dass du um bestimmte lokale Regelungen nicht drum herumkommst. Im Alpenvorland muss ein Dach andere Schneelasten aushalten als im Rheintal. Wenn das Grundwasser 1m unter der Oberfläche steht, dann muss der Keller als Wanne ausgeführt werden und genug Auflast haben, damit das Wasser ihn nicht hochdrückt...
Bei Themen wie Schallschutz, Dämmung und Brandschutz finde ich das allerdings problematisch, dass hier auf "komplizierte Normen" abgestellt wird. Hier geht es einfach darum, dass man billiger baut, indem man die Qualität runterschraubt. Das daraus dann in 30 Jahren die Armenviertel mit hoher Kriminalitätsbelastung werden, wenn die wegsterbenden Boomer andere Wohnungen und Häuser freimachen, kann man aber schon heute erahnen.
Und billig bauen heißt langfristig auch zweimal bauen, weil abreißen und in guter Qualität neu bauen oft günstiger ist, als schlechten Bestand zu sanieren. Inwieweit das hier zutrifft kann ich nicht beurteilen. Ich kenne aber viele Beispiele von Billig-Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren, wo das die einzige praktikable Lösung war.
Dass man an alles und jeden denkt ist ja gerade das Problem. Wir haben ein konkretes Beispiel erlebt. Wir planten ein Haus in der Stadt zu übernehmen und auszubauen. Konkret der Dachboden hatte ein Ausbaupotenzial von 110m². Über das normale Treppenhaus durfte man nicht evakuieren weil Holztreppe. Also eine Stahl Außentreppe. Kostenpunkt mit Tür ca 30k. Der Witz an der Sache? Denkmalschutz sagt nein. Sowohl die Holztreppe auszutauschen als auch die Außentreppe.
Jede Regelung hier hat ihre eigene Begründung. In Summe ergibt sich jedoch eine erschwerte bis nicht vollführte Baumaßnahme.
Viele Leute, die derzeit nach einer günstigen Wohnung suchen, dürften bereit sein bei "Trittschalldämmung auf Balkonen und Dachterrassen" Abstriche zu machen und halt nur das Niveau von vor 20 Jahren oder so zu bekommen.
Jo besser als ein Pappkarton unter der Autobahnbrücke isses allemal und wir können uns bei dem Wohnungsmangel momentan wirklich keine hohen Ansprüche leisten.
Letztens habe ich hier auch diese SWR Doku empfohlen bekommen und kann sie weiter empfehlen für mehr Details.
Die spannende Frage ist wohl, ob DIN Teil des Problems oder Teil der Lösung ist? Also wird der Hamburger-Standard zur Alternative oder kooperiert DIN und integriert das.
Eine Leistung der Ampel war wohl Gebäudetyp E? Das müsste auch irgendwie mit reinspielen.
Kein Wort davon im Artikel? Aber ähnliche Vorschläge zur Abkehr von DIN Normen, die vom BGH bereits abgelehnt wurden. Der Kniff hier ist wahrscheinlich, dass die zukünftigen Bewohner dann unterschreiben, dass sie keine Rechtsansprüche mehr haben, wenn irgendwas richtig in die Hose geht.
Danke für den Link! Leider beschreibt der Artikel das Problem nicht wirklich. Es wird nur gesagt, dass da Probleme sind. Zumindest ist mir das zu knapp:
Die Top-Juristen begründen Ihr Veto auf viereinhalb Seiten. Ziel des Gesetzentwurfes sei, „Bauen in Deutschland einfacher, innovativer und kostengünstiger zu ermöglichen“, referieren die Richter. Der Gesetzentwurf aber ist aus ihrer Sicht „insbesondere abzulehnen“, weil dort „der Mangelbegriff des Werkvertragsrechts grundlegend verkannt wird und der Gesetzentwurf deshalb zur Herbeiführung seines Ziels nicht geeignet ist“. Zweitens werde in dem Paragraphenwerk „die bei der Errichtung von Wohngebäuden typischerweise gegebene Leistungskette nicht bedacht“. Drittens sei „eine Bindung der Gerichte an sicherheitsrelevante Normungen mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren“.
Die vier Originalseiten sind hinter den Türen der Fachzeitschrift „Baurecht“ verborgen.
Ja, ich hab dazu mal was tiefergehendes gelesen, weiss aber nicht mehr wo. Hauptproblem ist soweit ich mich erinnere, dass DIN eh eigentlich nicht vorgeschrieben ist, aber eingehalten wird um rechtlich immer auf der sicheren Seite zu sein. Wenn sich die Parteien im Baugewerbe hierauf nicht mehr beziehen, wird das unendlich viele Gerichtsprozesse nach sich ziehen.
Daneben waren die Vorschläge damals dann auch, ach Schallschutz, ach behindertengerechter Zugang, alles nicht so wichtig. Hauptsache die Kosten gehen runter. Und so geht’s also weiter im neoliberalen Alptraum. Jetzt halt Model Hamburg.