Bei einem US-Drohnenangriff in einem Dorf im Jemen wurden im Jahr 2012 Zivilisten getötet. Da der US-Luftwaffenstützpunkt eine zentrale Rolle dabei spielte, zogen Betroffene in Deutschland vor Gericht – vergeblich.
Die aus meiner Sicht wesentlichen und erschreckenden Passagen:
Die Brüder bin Ali Jaber reichten daraufhin 2021 Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung von Artikel 2 des Grundgesetzes ein, der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit festschreibt. Er gilt auch für Personen, die im Ausland unter den Folgen in Deutschland getroffener Entscheidungen leiden. Karlsruhe befand nun, es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei. Es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden getroffen werden, damit die Schutzpflicht der Bundesregierung greife. Dies sei hier nicht der Fall.
Die Bundesregierung begrüßte das Urteil. Es sei deutlich geworden, »dass der Bundesregierung in der Kooperation mit anderen Staaten großer Spielraum gewährt wird«, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Nils Schmid (SPD). Die Bundesregierung war darüber informiert, dass die US-Streitkräfte Ramstein für die Steuerung von Drohnenangriffen nutzen. Sie hatten dem Bundesverteidigungsministerium 2010 mitgeteilt, dass in Ramstein eine Satelliten-Relaisstation zur Drohnensteuerung im Ausland gebaut werde.
Das Verfassungsgericht ist der Ansicht, dass es egal ist, welche technische Funktion Ramstein für die Ausübung der Drohnenmorde hat. Nur wenn der Mordbefehl auf deutschem Boden gegeben wird, ist es anscheinend relevant.
Die Bundesregierung wiederum bejubelt ihren "großen Spielraum" anderenStaaten bei Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen zu unterstützen, indem diese ihre Logistik über Deutshcland abwickeln können.
Das erscheint mir ehrlich gesagt ziemlich nachvollziehbar. Solange von Deutschland aus keine tödlichen Drohnen gesteuert worden sind können die deutschen Behörden rechtlich gesehen erstmal nichts machen.
Aber interessanterweise würde es ausreichen wenn von deutschem Boden aus der Befehl gegeb werden würde. Das ist zumindest eine ziemlich deutliche Grenze. Das heißt ja schließlich, dass die sich nicht rausreden könnten, wenn der Befehl hier gegeben, der Knopf aber in Timbuktu gedrückt worden ist.
Von alledem abgesehen bleibt das Thema von in Deutschland stationierten fremden Truppen ein politisches und kein rechtliches Thema. Was natürlich besonders unsere konservative Regierung freut.
Da die Steuerungssignale hier durchgeleitet werden, finde ich die Argumentation nicht nachvollziehbar.
Ohne die Station in Ramstein könnten die USA aktuell nicht den potentiell illegalen Befehl geben, der dann in einer potentiell illegalen Tat umgesetzt wird.
Wenn man meint, dass die technische Ermöglichung kein Problem darstellt, kann man auch die gesamte Rüstungskontrolle über Bord werfen, oder würde dann zu so Schlussfolgerungen kommen, wie das die Munition kontrolliert werden muss, die Kanone aber nicht, weil die Kanone nur die Munition steuert.
Ok, hatte vergessen, dass da die Signale durchgeleitet werden. Dachte der Stützpunkt würde für Training und Aufklärung genutzt.
Dann würde ich argumentieren, dass der Befehl dort erneut gegeben wird, weil er ja kopiert und verstärkt wird. Hoffentlich ist diese Argumentation noch offen. Aber so wie die Nachricht geschrieben ist bezweifel ich das. :-/
Zusammengefasst scheint es mir so, dass aus Sicht des BVerfG Völkerrecht nicht international durchgesetzt wird und deswegen die Bundesregierung keine Pflicht hat, Völkerrecht gegen Verbündete durchzusetzen.
Interessant finde ich dabei v.a. diese Absätze der Begründung des BVerfG:
Es lassen sich zwar Gesichtspunkte dafür anführen, dass die Einbindung der Air Base Ramstein in die Durchführung der US-amerikanischen Einsätze bewaffneter Drohnen im Jemen einen hinreichenden Bezug zur deutschen Staatsgewalt herstellt, der eine Voraussetzung für das Entstehen einer Schutzpflicht ist. Die fachgerichtlichen Feststellungen legen das Bestehen eines hinreichenden Bezugs nahe. Mit der Errichtung der Satelliten-Relaisstation wurde eine Infrastruktur geschaffen, die speziell der Durchführung von Einsätzen bewaffneter Drohnen dient. Hiervon hatte die Bundesregierung auch Kenntnis. Diese Umstände erscheinen geeignet, eine besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland – auch in Abgrenzung zu anderen Staaten – für die Gefährdungslage im Jemen zu begründen. Gegen einen hinreichenden Bezug könnte indes sprechen, dass die bloße technische Herstellung einer Daten- und Kommunikationsverbindung zwischen der Drohne und den Führungseinrichtungen der USA normativ neutral und in der Gesamtschau nur von untergeordnetem Gewicht ist.
Ob sich im Rahmen der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung eine grundrechtliche Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Drohneneinsätze der USA im Jemen ergibt, kann letztlich offenbleiben. Denn aufgrund der fachgerichtlichen Feststellungen ist das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr einer systematischen Verletzung der völkerrechtlichen Regeln zum Schutz des Lebens als Voraussetzung einer Verdichtung des allgemeinen Schutzauftrags zu einer konkreten Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern zu verneinen.
Das BVerfG entscheided also bewusst nicht darüber, ob die Relaisstation als Teil der Kette einen ausreichenden Bezug herstellt.
a) Die Rechtsauffassung der USA, die den Einsätzen bewaffneter Drohnen im Jemen zugrunde liegt, ist für sich genommen nicht geeignet, gewichtige Anhaltspunkte für eine ernsthafte Gefahr systematischer Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu begründen.
aa) Es ist nicht feststellbar, dass die USA in dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt im Jemen unvertretbare Kriterien zur Abgrenzung legitimer militärischer Ziele von geschützten Zivilpersonen anwenden. Diese Abgrenzung wird kontrovers diskutiert.
...
bb) Die ernsthafte Gefahr eines systematischen Verstoßes gegen das Recht auf Leben gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte folgt auch nicht daraus, dass die USA die extraterritoriale Anwendung dieses Pakts nicht anerkennen. Sie vertreten damit zwar eine Rechtsansicht, die nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs und der Spruchpraxis des Menschenrechtsausschusses steht. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass sich diese Rechtsansicht auf die Einsatzpraxis im vorliegenden Fall ausgewirkt hat.
cc) Somit erweist sich die Auffassung der Bundesregierung, dass die US-amerikanische Auslegung des einschlägigen Völkerrechts – auch wenn sie sich nicht in allen Punkten mit derjenigen der Bundesrepublik Deutschland decke – grundsätzlich als völkerrechtlich vertretbar einzuordnen sei und folglich die Beachtung des humanitären Völkerrechts als solches durch die USA nicht infrage stelle, ihrerseits als völkerrechtlich vertretbar. Sie bewegt sich daher innerhalb des ihr eingeräumten weiten Einschätzungsspielraums in der Außen- und Sicherheitspolitik.
b) Dass systematische Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf Leben ernstlich zu befürchten sind, ergibt sich ferner nicht hinreichend deutlich aus kritischen Berichten über die US-amerikanische Einsatzpraxis bewaffneter Drohnen oder den Stellungnahmen internationaler Organe, auch nicht aus den von den Beschwerdeführern herangezogenen Berichten der UN-Sonderberichterstatter und den Resolutionen des Menschenrechtsrats, des Europäischen Parlaments und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Die (hohe) Zahl ziviler Opfer kann für sich genommen – ohne Hinzutreten weiterer Elemente – die ernsthafte Gefahr systematischer Verstöße gegen das hier einschlägige Völkerrecht nicht begründen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Jemen systematisch gegen das Verbot exzessiver Kollateralschäden verstoßen worden ist, sind den angeführten Berichten und Resolutionen nicht zu entnehmen...
Dass die USA also generell Völkerrecht brechen bedeutet nicht, dass sie in diesem Fall Völkerrecht brechen. Ebenso reicht es dem BVerfG nicht aus, dass es die überwiegenden Stellungnahmen dazu zu dme Schluss kommen, dass die US systematisch Völkerrecht brechen, weil es nicht "beweisbar" ist.
Dadurch das die Bundesrepublik dann keine Schutzpflicht hat, muss sie auch nicht prüfen, ob die Behauptungen der USA wahr sind und weil niemand Beweise erheben muss, ist auch nichts bewiesen und deswegen kann man weitermachen, weil die USA behaupten, dass sie das Recht haben so zu handeln.
In Deutschland gibt es das Völkerstrafgesetzbuch, das internationales Recht in deutsches Strafrecht einführt. Gewisse Kriegsverbrechen sind also genauso strafbar wie Mord oder Diebstahl. Wären "überwiegende Stellungnahmen" geeignet, jemanden des Mordes oder Diebstahls zu überführen? Oder eine Organisation als kriminelle Vereinigung gelten zu lassen?
In jedem Fall ist es nicht an sich eine Straftat, wenn Menschen, auch Zivilisten, bei kriegerischen Handlungen getötet werden. Es lässt sich nicht vermeiden. Es müsste ein gezieltes Massaker sein oder eine völlig unverhältnismäßige Anzahl an Toten.