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Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital

www.heise.de Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital

Medienpädagoge Daniel Schlep kritisiert, dass der Digitalpakt Technik in die Schulen spülte, aber langfristige Konzepte und echte Kompetenzen fehlen.

Kommentar: Wir fluten die Schulen mit Technik und fühlen uns digital
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  • Ich habe noch nie verstanden was an tippen auf dem iPad anstatt in ein Heft zu schreiben Digitalisierung sein soll. Als würden zwanzig iPads deutsche Schulen retten. Hier zeigt sich wieder wie dumm die Bildungspolitik ist. Lieber einfach ein paar e Geräte anschaffen als mal ordentlich zu sanieren und gute Infrastruktur zu schaffen. Zum gleichen Zeitpunkt wie Apple sich in deutsche Schulen einkauft, werden Laptops etc. aus dänischen und schwedischen Schulen wieder verbannt. Klingt für mich nach einem guten Deal für Apple aber nicht für deutsche Schüler:innen.

  • Wir wollen, dass die Kinder den Umgang mit Technologie lernen und hauen ihnen die übelsten Conveniencegeräte auf den Tisch, die man für zu viel Geld kaufen kann. Diese Geräte verstecken und abstrahieren jeden Zugang zu den eigentlich dahinter befindlichen Konzepten. Stattdessen wächst man jetzt mit Apple direkt im Kinderzimmer auf.

    Super Sache, alles verstanden.

    • Unser Sohn braucht in seiner Klasse auch ein iPad. Auf die Frage, ob es denn unbedingt ein iPad sein müsste meinte der Lehrer, dass es grundsätzlich möglich sei, er aber einfach keine Ahnung hat und nicht bei anderen Geräten helfen könne.

      Unsere Kinder können also keine digitale expertise lernen, weil ihre Lehrer die auch nicht haben. Klingt logisch.

      • Hier war es ähnlich. Die Klasse unseres Kindes war Pilotprojekt und man konnte ein iPad kaufen. Wir hatten ein Android-Gerät daheim und haben gefragt, ob das auch geht. Antwort war ja, aber einige Apps werden nicht unterstützt. Im Laufe der Zeit stellte sich raus, dass lediglich die Bücher auf dem Tablet genutzt wurden, die auch physisch da waren und die meisten Schüler das Gerät vor allem zur Ablenkung nutzten.

        Bei unserem Zweiten Kind ist das Tablet jetzt obligatorisch und wird auch von der Schule gestellt. Allerdings ist es sehr limitiert eingerichtet und die Schüler können keine eigenen Apps installieren. Also wieder hauptsächlich als Ersatz für die Bücher und die "Hefte" liegen auf dem Gerät und können per Apple-TV auf die digitalen Tafeln gestreamt werden.

        Ist zwar alles schon deutlich besser als beim ersten Kind aber bis auf ein paar Ausnahmen halt doch einfach nur die Übertragung des analogen ins digitale. Da fehlt einfach ein Konzept, um die neue Technologie auch vernünftig zu nutzten. Und die Fixierung auf Apple ist einfach nur eine weitere unnötige Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter.

  • bild von ipads

    Erst kam Corona. Dann kam die Flut – die iPad-Flut. Eigentlich ist Wissen die Grundvoraussetzung für einen reflektierten Kauf. Man sammelt Informationen, sucht Optionen beziehungsweise Alternativen, betrachtet Langzeitfaktoren und entscheidet – dies sollte im Rahmen des DigitalPakts Schule auch durch sogenannte Medienbildungskonzepte sichergestellt werden. Interessant ist dabei, dass wir heute eine Technik in Schulen haben, die nur bedingt Wissen fördert, wenige Optionen bietet und viele Fragen und Probleme aufwirft. Aber zunächst:

    Was führte zur großen iPad-Flut?

    Marketing hat uns gelehrt, dass Tablets so etwas wie Nachfolger von Notebooks und diese wiederum so etwas wie Nachfolger von Standrechnern seien. Dies ist sowohl technisch als auch aus Sicht der Medienpädagogik Unsinn. Technisch gesehen können handelsübliche Tablets die vielfältigen Funktionen eines Standrechners oder Notebooks in Produktionsbetrieben, Studios im Kreativsektor, Redaktionen, Firmenbüros oder Verwaltungen aktuell nicht ersetzen. Aus Sicht der Medienpädagogik ist bereits der Irrglaube entstanden, dass Betriebssysteme wie iOS/iPadOS oder Android/ChromeOS echte Alternativen zu Systemen wie Windows, macOS oder vollwertigen Linux-Distributionen darstellen. Wir sind inzwischen so weit, dass Privatfamilien daheim oft keine eigenen PCs/Notebooks mehr besitzen, Kindern nur noch Smartphones/Tablets mit Touchscreens an die Hand gegeben werden und schon eine Installation mit einer EXE-Datei zu großen Fragezeichen über den Köpfen der Menschen führt.

    Dieser Stand ist aus Sicht der Medienpädagogik und der generellen Entwicklung von Kindern/Jugendlichen – bezüglich des Medienwissens, der digitalen Souveränität und auch der Fingerfertigkeit – höchst bedenklich. Doch die Macht des Marketings wirkt stark in uns. Apple bewies in diesem Kontext wieder einmal ein sicheres Händchen und die ohnehin von Windows gelangweilte Menschheit bekam in Politik, Verwaltung und eben auch im Schulsystem die Möglichkeit, sich mit einem Großeinkauf von iPads modern und digital zu fühlen.

    Youtube mit Werbung in Schulen

    Was zunächst offenbar überzeugte, wird nach meiner Erfahrung zunehmend infrage gestellt. Es kommen immer mehr Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte mit Kritik auf mich zu. Eltern äußern, dass ihre Kinder (nun auch noch durch die Schule legitimiert) unentwegt an den Geräten kleben und behaupten, sie müssten Hausaufgaben machen, obwohl auch die extra bereitgestellten Schulgeräte oftmals eher für Konsumaktivitäten als für tatsächliche Arbeit genutzt würden. Schüler berichten mir, dass Konsum mit den Geräten im Unterricht vollkommen normal sei. Lehrkräfte stellen ihren eigenen Fortbildungsstand infrage und bemerken Konzentrationsprobleme bei den Schülerinnen und Schülern. Inzwischen veröffentlichen auch immer mehr Redaktionen aus unterschiedlichen Bereichen Artikel zum Thema. Und internationale Studien und Forschungsteams hinterfragen den Einsatz von digitalen Medien in Schulen generell.

    Aus verschiedenen Städten und Schulen wird mir immer wieder berichtet: Die Lernenden spielen, shoppen und konsumieren mit den Geräten im Unterricht und daheim. Echte Regeln zum Einsatz von Programmen und Diensten fehlen dabei scheinbar gänzlich oder werden gern missachtet. Bestes Beispiel: Es wird YouTube mit Werbeeinblendungen im Unterricht verwendet. Werbung in Schulen?

    An dieser Stelle: Nein, ich bin kein Apple-Hasser und spreche ebenso kritisch über Google oder Microsoft. Und genau das sollten Schulen, Schulträger und Bildungspolitik auch tun – Fragen stellen und Antworten finden.

    Was wollen wir damit erreichen?

    In Bezug auf iPads wird viel zu wenig hinterfragt, welche Kosten und welche Abhängigkeiten der Zugang in dieses Ökosystem auf Dauer verursacht. Welcher Elektroschrott entsteht durch den weitreichenden iPad-Einsatz in Schulen? Ist es tatsächlich sozial, iPads mit allen Folgefaktoren an Finanzschwache zu verteilen, und ist es souverän, sich dauerhaft an die Firma Apple zu binden?

    Bei näherer Betrachtung der Details wird klar, dass der massenhafte Einkauf von iPads speziell für das Schulsystem, in dem es um unabhängige Bildung, Hintergrundwissen und Reflexion gehen sollte, nicht der richtige Weg sein kann. Dabei kommen auch Fragen auf, ob man mit geschlossenen und verklebten iPads überhaupt echte Medienkompetenz lehren kann. Informatiker und Informatiklehrkräfte zeigen sich mir gegenüber im Austausch ebenfalls kritisch. Die Aussagen zu iPads in Schulen reichen hier sinngemäß von fachlichen Problemen wie "für den Informatikunterricht nicht zu gebrauchen" über generelle Probleme wie "Dateiverwaltung nicht sinnvoll möglich" bis zu profanen Problemen wie "Geräte wurden auf Paletten angeliefert und übers Wochenende bei nasskaltem Wetter auf dem Schulhof abgestellt".

    Blick auf die Alternativen

    Wir sollten bei der Beschaffung von Technik in erster Linie auf die Wissenschaft und nicht auf die Wirtschaft hören. Machen wir uns nichts vor: Bei aller Konsumdressur und Vorliebe zu komfortablen Lösungen, bei denen wir nichts selbst einrichten und verstehen müssen oder gar dürfen, wird kein Weg an einem grundlegenden Wissen über und einem breit gefächerten Einsatz von freier Open-Source-Software vorbeiführen. Denn reiner Konsum führt zu Abhängigkeit und Abhängigkeit führt zu Kontrollverlust. Wir benötigen neues Wissen und mehr kritisches Denken.

    Und wir brauchen Geräte, die uns nicht langfristig an ein System ohne echte Wechseloptionen ketten. Es gibt bereits Convertible-Modelle auf dem Markt, die Funktionen wie Stifteingabe, Robustheit oder Modularität bieten und sogar speziell für den Schulsektor produziert werden (Beispiel: ASUS BR-Serie). In diese Richtung und in Richtung von Linux und Freier-Open-Source-Software muss gedacht, geforscht und geplant werden. Und sollte es derzeit keine sinnvolle Lösung geben, bitte keine weiteren Panikkäufe. Denn die aktuelle Rutsche an Geräten wirft allgemein bereits große Fragen und Probleme auf, wie auch die Studien und Kehrtwende in Schweden zeigen.

    Generell setze ich mich seit Jahren im Austausch mit Politik, Verwaltung und Wissenschaft auf verschiedenen Ebenen in Deutschland dafür ein, dass endlich das Problem der langfristigen Planung auf den Schirm kommt. Denn nun startet die Phase, in der alle Beteiligten feststellen, dass das Geld bereits in Runde 2 Probleme auslöst. Deshalb werden ein DigitalPakt 2.0 und mehr Geld gefordert.

    Und dann? Wird wieder Geld in Material gesteckt und das Wissen vergessen? Wie läuft Runde 3?

    Aktuell ist nur eines gewiss: Nach dem Kauf ist vor dem Kauf …

  • Das "Technik wird in X reingespült" ist allgemein eine gute Beschreibung für das meiste, was hierzulande unter Digitalisierung läuft. Da wird dann lieber erstmal Hard- und Software angeschafft, ohne Sinn und Verstand, und diese Systeme stehen dann einem krassen Mangel an Sachverstand gegenüber, da es in den meisten öffentlichen Einrichtungen kaum jemanden gibt, der versteht, wie man sie richtig nutzt und langfristig pflegt. Es wird massenhaft Geld für Geräte und Lizenzen rausgeballert, aber fähiges Personal für deren Administration ist zu teuer.

  • Diese Art Bildungspolitik ist halt dazu gedacht, den Vorstellungen von Leuten zu entsprechen, die, weil sie nicht die Digitalbildung genossen haben, die es bräuchte, sich Idee von Digitalisierung von den Marketingabteilingem der Technologieunternehmen haben diktieren lassen. Es ist schwierig, in einem solchen System hinzukriegen, dass die neue Generation es besser weiß als die alte, weil die alte am Ende die Wählerschaft ausmacht.

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