Transatlantische Entkopplung - Wie schaffen es die Vereinigten Staaten, ökonomisch an der Eurozone vorbeizuziehen? Und wird diese Tendenz Bestand haben?
Mir fehlt hier der Bezug auf einen ganz wesentlichen Strukturfaktor, die Bevölkerungsentwicklung.
Die USA hatten 2005 eine Bevölkerung von 301 Mio. In 2023 sind sie bei 340 Mio. Die EU hatte 2007 (noch ohne Kroatien) 497 Mio. Einwohner und in 2023 448 Mio. Ohne Kroatien aber mit UK zum Vergleich sind es 448+68-4 Mio. = 512 Mio.
Die EU ist also in den letzten 16 Jahren um 3% insgesamt gewachsen. Die USA ist im gleichen Zeitraum um 13% gewachsen.
Wenn alle anderen Konjunkturfaktoren gleich geblieben wären, dann wäre die US Wirtschaft 4x mehr gewachsen, als die europäische, einfach weil mehr Arbeiter und Konsumenten da sind.
Das ganze neoliberale Geunke über Abbau von Sozialleistungen, Senken von Steuern usw. tritt da einfach in den Hintergrund. Dann müsste man sich aber mit zwei Grundwahrheiten auseinandersetzen, die nicht ins neoliberal-reaktionäre Wertebild passen:
Einwanderung ist bei niedrigen Geburtenraten ein zentraler Schlüssel zu mehr Wirtschaftswachstum.
Wirtschaftswachstum ist durch die verfügbaren Ressourcen und den verfügbaren Platz begrenzt.
Das Wachstum in Europa muss abflachen, weil Europa dicht besiedelt ist und den Großteil seiner Natur bereits am Anschlag ausbeutet. Die USA haben dagegen noch genug Platz um weitere hunderte Millionen Menschen im Land zu haben und noch genug Ressourcen zum Ausbeuten. Es ist unmöglich für die EU beim Wirtschaftswachstum mit den USA langfristig mitzuhalten und das kann auch kein Ziel sein.
Wir müssen den Übergang zu einer Postwachstumsgesellschaft einleiten
Ich muss jetzt wohl doch darauf hinweisen, dass Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum eher selten korrelieren (siehe China). Die Länder mit dem größten Bevölkerungswachstum der vergangenen Dekaden gelten ja nicht unbedingt als "Lokomotiven der Weltwirtschaft"...
Die nigrische Volkswirtschaft erreichte 2019 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 12,9 Milliarden US-Dollar. Ausgehend von einem sehr niedrigen Wert von 2,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 hat sich das BIP in den letzten zwei Jahrzehnten versechsfacht. Aufgrund eines gleichzeitig hohen Bevölkerungswachstums ist das BIP pro Kopf jedoch nur relativ gering von 429 auf 563 US-Dollar pro Kopf gestiegen
Im Mittel um die 6-7% Wachstum, durch Corona massiver Einbruch um 33% wegen Tourismuslastigkeit, dann wieder aufgeholt 2021 mit 37%
Ich kann die Liste jetzt noch ewig weiterdurchgehen und bin mir sicher, dass sich das selbe Bild zeigen wird. Sofern andere Konjunkturfaktoren, wie im Fall von Äquatorialguinea, insb. bei Abhängigkeit von einem einzigen Wirtschaftszweig, nicht durchschlagen, ist Bevölkerungswachstum sehr stark mit Wirtschaftswachstum korreliert.
Ich kann dir nur empfehlen, nicht die selben Scheuklappen anzulegen, wie die Ökonomen, die du zu Recht dafür kritisierst.
Dieser von mir verfasste Text thematisiert die zunehmende ökonomische Kluft zwischen den USA und der EU, wobei diese "transatlantische Entkopplung" in den Kontext des globalen Systemkrise gestellt wird, in der sich das spätkapitalistische Weltsystem befindet.