Elf Millionen junge Chinesen fluten aktuell den Arbeitsmarkt. Ihr Studium ist vorbei, der Abschluss in der Tasche - ein Job aber für viele trotzdem nicht in Sicht: Jeder fünfte Jugendliche in China ist arbeitslos, liegt "flach", wie es in der Volksrepublik heißt.
Elf Millionen junge Chinesen fluten aktuell den Arbeitsmarkt. Ihr Studium ist vorbei, der Abschluss in der Tasche - ein Job aber für viele trotzdem nicht in Sicht: Jeder fünfte Jugendliche in China ist arbeitslos, liegt "flach", wie es in der Volksrepublik heißt.
Eine junge Frau in einer hellblauen Absolventen-Robe steckt ihre Uni-Abschlussarbeit in den Mülleimer. Eine andere trägt den schwarzen Akademikerhut auf dem Kopf, hat sich als Papierhandtuchspender verkleidet, Papierhandtücher hängen ihr aus dem Mund. Andere Absolventen liegen wie fallengelassen, mit dem Gesicht nach unten quer auf Treppenstufen, Parkbänken oder Straßen.
Die Fotos von frisch gebackenen chinesischen Hochschulabsolventen in sozialen Medien dieses Jahr sind kreativ, aber auch traurig wie nie.
Die jungen Leute posieren nicht mit Blumen, werfen keine Hüte in die Luft - sondern sie liegen "flach". "Tangping", übersetzt Flachliegen nennt sich dieser Trend. "Es ist Ausdruck von zunehmenden Unsicherheiten und Ängsten, was die Zukunft angeht, eben vor allem für junge Menschen", sagt Katja Drinhausen, Leiterin des Bereichs chinesische Politik und Gesellschaft am Mercator Institute for China Studies im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Gerade in diesem Jahr sei es für Universitätsabsolventen besonders schwierig: "Es gibt über 11 Millionen neue Uniabgänger, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen. Und das zu einer Zeit, wo ohnehin die Arbeitslosigkeit unter jungen Arbeitnehmern mit über 20 Prozent schon sehr, sehr hoch ist."
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Auch das Vorhaben der chinesischen Regierung gegen die rekordhohe Jugendarbeitslosigkeit, Startups zu fördern, hält Drinhausen kurzfristig für wenig hilfreich. Hochschulabsolventen und Arbeitsmigranten sollen Gründerkredite für eigene Startups bekommen. Als geeigneteres Mittel sieht die Expertin zusätzliche Qualifikationen für die frisch gebackenen potenziellen Arbeitskräfte an.
China steht vor einem ganzen Haufen von Problemen: Der Staat weiß nicht nur nicht, was er mit vielen Millionen jungen Menschen machen soll, die einen Job brauchen. Die Wirtschaft schwächelt insgesamt kräftig. Der Immobilienmarkt steckt in einer schweren Krise, die Schulden steigen.
Dass die Bevölkerung schrumpft und immer älter wird, macht es nicht besser: In den nächsten Jahren werden Arbeits- und Fachkräfte immer rarer, sagt Katja Drinhausen voraus. Wenn sich das Bildungssystem dem nicht anpasst, hat China verloren.
Stell dir vor du bist Einzelkind und alle Hoffnungen und Träume deiner Eltern und Großeltern lastet auf deinen Schultern. Deine Familie kratzt alles zusammen damit du auf eine bessere Schule gehen kannst. Sie bezahlen sogar deinen privaten Englischunterricht, in der Hoffnung auf ein ersehntes Auslandsstudium. Du kämpfst dich durch ein höllisches Schulsystem in dem du dich gegen deine Mitschüler durchsetzen musst und nimmst einen hohen Studentenkredit auf, um studieren zu können.
Es ist 2020/21 und die Zero Covid Politik ist da. Es gibt kein Auslandsstudium für dich. Du willst dich noch an deinen alten Englischlehrer wenden, zu dem du ein gutes Verhältnis hattest und ihn nach Rat fragen. Der war immer so locker drauf und weiß vielleicht, wo man doch noch ein Auslandsstudium kriegt. Aber er ist wegen der Pandemie nach fast 10 Jahren wieder raus aus China und wird nicht mehr wieder kommen.
Es ist 2022 und Englisch ist nun nicht mal mehr erwünscht. Du haust dir weiter die Ellenbogen blutig um dich an der Hochschule in China durchzusetzen. Vielleicht besuchst du deine Familie zu Neujahr und merkst, dass die immer wiederkehrenden Lockdowns und damit verbundene Lebensmittelknappheit an ihnen nicht Spurlos vorbeigehen. Du legst dich für sie noch mehr ins Zeug. Du bekommst die Massenproteste gegen die Partei in den sozialen Netzwerken mit, die nur kurz anhalten bis die Partei die Pandemie über Nacht für beendet erklärt. Du bist noch Wochen danach so verblüfft über diesen Sinneswandel, dass du fast nicht mitbekommst, wie ein Kumpel von dir, der Wochen zuvor auf einer dieser Demos war, plötzlich verschwindet. Du kannst dir denken was passiert ist und bist schlau genug, nicht nachzufragen.
Es ist 2023. Kein gutes Jahr um in den Arbeitsmarkt einsteigen zu wollen. So viel weißt du bereits. Da gibt der neue Mao dir in einer seiner Reden zu verstehen: "Friss Dreck, du Bauer" und nimmt dir noch das letzte Fünkchen Hoffnung nach einer Reihe äußerst schwieriger Jahre.
Die Abschlusszeremonie War letzte Woche. Da liegst du jetzt auf einer Parkbank. Jung aber schon ausgebrannt. Hochverschuldet und perspektivlos. Die Krisen jagen sich schon lange nicht mehr. Sie stapeln sich wie Kartenhäuser und stürzen über den Köpfen der Leute zusammen wie die Hochhäuser in den trostlosen Tofu-Dreg-Geisterstädten.
Staatschef Xi hat kaum Mitgefühl mit den gut ausgebildeten jungen Leuten ohne Job-Perspektive. "Esst Bitterkeit!", ruft er ihnen Anfang Mai zu - und meint damit, dass sie ihre Ansprüche herunterschrauben und hart arbeiten sollen, so wie er selbst als Fünfzehnjähriger. Während der Kulturrevolution wurde er wie viele andere Jugendliche zur körperlichen Arbeit aufs Land verschickt.
"Stellt euch nicht so an, geht aufs Land so wie ich damals, nachdem Maos großer Sprung nach vorn 50 millionen Chinesen den Hungertod brachte!" Vielleicht will er nun auch für millionen freie Arbeitsplätze sorgen?
Der Große Sprung nach vorn und die Kulturrevolution waren zwei verschiedene Ereignisse. Am Großen Sprung dürfte Xi Jinping eher weniger gelitten haben, da sein Vater Xi Zhongxun zu der Zeit wichtiger Parteibonze in Beijing war. Danach ist er (Xi Zhongxun) aber wegen Drama bei Mao in Ungnade gefallen und wurde dann während der Kulturrevolution verhaftet, und daraufhin musste Xi Jinping dann aufs Land. Also eher allgemeines, boomerhaftes "die verweichlichte Jugend von heute soll sich mal nicht so anstellen, ICH hatte es damals schließlich auch nicht immer leicht" mit pathetischem Bezug zur Kulturrevolution als irgendeine Anspielung auf den Großen Sprung nach vorn.
Also quasi der russische Weg, mit dem demografischen Kollaps umzugehen? Man bringt die letzten paar Leute in produktiven Alter auch noch um? Genialer Ansatz. Kann ja nichts schief gehen.
Ich war vor Jahren beruflich zwei Mal kurz in China. Auf die Frage ob denn am Wochenende auch gearbeitet wird, sagte der studierte ITler, der sich gerade ein neues Auto gekauft hat, das die Verwaltung größtenteils frei hat, die Arbeiter, die mit dem betriebseigeben Bus zur Fabrik kommen, aber 6 oder 7 Tage die Woche arbeiten. Das fand der komplette normal. Kein Wunder, dass jeder der nur irgendwie kann versucht einen gute Job zu bekommen.
Hab irgendwo gelesen, dass das exakt so ist und das Problem verstärkt. Es sollen wohl sehr viele auf BWL und Geisteswissenschaften setzen. In der Hoffnung auf höhere Jobs.
Es fehlen aber viele Datenanalysten, KI Spezialisten, Programmierer. Also stark am Bedarf vorbei.
Ich vermute, ohne viel Einblick zu haben, dass das kulturell bedingt ist. Chinesen halten viel von Bildung und Geld. Geisteswissenschaften und BWL.