Mit dem "Einzelfallticker" will die AfD das angeblich "wahre Ausmaß" der von Migranten begangenen Straftaten aufzeigen. Doch eine Stichprobe zeigt: Bei der Hälfte der Fälle gibt es keine Hinweise zur Herkunft des Tatverdächtigen. Von C. Reveland und P. Siggelkow.
Mit dem "Einzelfallticker" will die AfD das angeblich "wahre Ausmaß" der von Migranten begangenen Straftaten aufzeigen. Doch eine Stichprobe zeigt: Bei der Hälfte der Fälle gibt es keine Hinweise zur Herkunft des Tatverdächtigen.
Eine interaktive Deutschlandkarte der AfD soll eindrücklich die Gewaltdelikte durch Migranten in Deutschland visualisieren. "Dinkelsbühl: Aggressiver Messer-Mann leistet Widerstand gegen Polizeibeamte", "Wuppertal: Raubüberfall auf Tankstelle mit Gaspistole", "Mannheim: Wertgegenstände aus verschlossenem Spind in Schwimmbad entwendet" - lauten einige Überschriften von Fällen des "Einzelfalltickers", den die Partei seit Ende Februar betreibt.
Unabhängig von dieser bescheuerten Seite zeigen die Zahlen der PKS, dass der Anteil der von Ausländern verübten Straftaten in Deutschland um ein Vielfaches höher ist als der Anteil der in Deutschland lebenden Ausländer. Ca. 37% der Gewaltdelikte vs ca. 11% Ausländeranteil.
Das sind erst Mal die Fakten. Die Frage ist jetzt aber nicht, wie werden wir die bösen Ausländer los, sondern warum ist das so und vor allem "Was können wir dagegen tun, dass es überhaupt dazu kommt?". Stichworte Prävention, Integration, Chancengleichheit, Bildung, soziale Brennpunkte entschärfen etc...
Die Zahlen aus der PKS kann man nicht einfach so nehmen. Das steht auch im Artikel:
Insgesamt hatten 2022 mehr als ein Drittel aller Tatverdächtigen keinen deutschen Pass (37,4 Prozent), ohne ausländerrechtliche Verstöße 31,9 Prozent - deutlich mehr als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung (14 Prozent).
Für den Kontext der PKS spielen unter anderem folgende Faktoren eine Rolle: Die PKS erfasst lediglich die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen. Rückschlüsse auf die Gesamtgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund lassen sich dadurch nicht ziehen - schließlich haben viele von ihnen einen deutschen Pass (etwa 12,2 Millionen). Hinzu kommt, dass unter Ausländern beispielsweise auch Touristen oder Pendler fallen - somit auch Menschen, die gar nicht in Deutschland leben.
Bei der PKS handelt es sich außerdem um Tatverdächtige - nicht um verurteilte Täter. "Wir wissen noch nichts über die Umstände der Tat, ob sich diese strafmildernd auf das Urteil auswirken könnten oder nicht, oder ob die verdächtigte Person die Tat überhaupt begangen hat", sagt Thurn.
Warum die PKS mit Bezug auf die Kriminalitätsrate von Ausländern nur eingeschränkt aussagekräftig ist, haben Experten bereits in früheren Untersuchungen dargelegt. Auch aus Sicht von Thurn lässt sich aus den Zahlen kein kausaler Zusammenhang zwischen Kriminalität und Herkunft herstellen. "Für statistisch valide Aussagen müssten weitere Faktoren erhoben werden und ausgewertet werden." Die Konstruktion einer Korrelation von nichtdeutscher Staatsbürgerschaft und einer Neigung zu deviantem Verhalten sei äußerst fragwürdig.
Eine viel größere Rolle bei der Bewertung von Kriminalität spielten beispielsweise sozioökonomische Faktoren sowie das Alter und Geschlecht, sagt Thurn. Der Anteil junger Männer unter Asylsuchenden ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich höher - eine Gruppe, die unabhängig von der Herkunft eine höhere Kriminalitätsrate hat.
Unabhängig davon hast Du mit folgendem natürlich völlig recht.
Bei der PKS handelt es sich außerdem um Tatverdächtige - nicht um verurteilte Täter. “Wir wissen noch nichts über die Umstände der Tat, ob sich diese strafmildernd auf das Urteil auswirken könnten oder nicht, oder ob die verdächtigte Person die Tat überhaupt begangen hat”, sagt Thurn.
Dazu gibt es aber Referenzdaten.
Der Anteil der Ausländer an den rechtskräftig verurteilten Straftätern betrug 2016 insgesamt 31 %[29]. 2019 betrug der Anteil der Ausländer Deutschen an rechtskräftig verurteilten Straftätern in Westdeutschland 61,61 % und in Ostdeutschland 55,55 %[30], während der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 10,9 % entspricht.[31] Auch unter den Strafgefangenen sind Ausländer deutlich überrepräsentiert: Der Anteil der Gefangenen ausländischer Staatsangehörigkeit an der Gesamtbelegung der Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen beträgt rund 28 Prozent (Stand 2017).[32]
(edit: da hat jemand auf wiki die Quelle falsch gelesen, habe das verbessert, versuche es jetzt auf wikipedia).
Da gibt es natürlich auch Probleme, z.B. könnten Ausländer eher verurteilt werden, aber es ist schon ein Grund anzunehmen, dass die PKS den Ausländeranteil vermutlich nicht unterschätzt.
Mit der Demographie und Soziökonomie hast du aber natürlich recht. Außerdem möchte ich immer an die Inverse* erinnern. Wenn man sagt, dass nur 2% der Deutschen, aber 7% der Ausländer pro Jahr eine Straftat begehen (Zahlen sind Pi-Mal-Daumen ), dann klingt da nach einem riesigen Unterschied. Es heißt aber auch, dass 98% der Deutschen und 93% der Ausländer eben nicht kriminell auffällig werden. Von der Seite gesehen ist der Unterschied plötzlich recht klein.
Gleichen sich die Zahlen nicht wieder komplett an, wenn man den Ausländeranteil mit Deutschen in den gleichen Einkommensschichten vergleicht? Als Ausländer hast du es schwer, in Deutschland an gutbezahlte Berufe zu kommen und in unteren Einkommensschichten ist Kriminalität und Gewaltkriminalität signifikant höher
Wenn das so wäre, hätten wir ein riesiges Problem mit der Kriminalität unter Deutschen. Ausländer sind im Schitt nämlich jünger und männlicher und junge Männer sind generell öfter kriminell.
Die Demographie erklärt also schon einmal einen Teil des Unterschieds, aber nicht alles. Ob das Einkommen den Rest erklärt, weiß ich nicht und ich glaube auch nicht, dass es in Deutschland gute Daten dafür gibt. Außerdem kann man das Einkommen hier nicht einfach als Erklärungsfaktor nutzen, weil da keine Kausalität sein muss und eine eventuell vorhandene nicht einseitig sein muss. Kriminell sein kann auch schlecht für das Einkommen sein. Noch relevanter ist, dass schlechtes Einkommen und Kriminalität oft dieselbe Ursache haben, z.B. einen Mangel an Bildung.
Ein gewisssen Effekt über das ökonomische hinaus scheint die Herkunft schon zu haben. Zumindest im Bildungsbereich sind z.B. Vietnamnesen sehr viel erfolgreicher als Araber. Aber deshalb reden wir ja von sozioökonomischen Ursachen.
Letzlich ist es aber kaum entscheidungsrelevant zu wissen, ob Ausländer jetzt krimineller sind oder nicht. Alle, die nicht kriminell sind, verdienen es nicht verdächtigt zu werden und die realen Clanstrukturen und Parallelgesellschaften in einigen Bereichen verschwinden nicht, wenn sich andere Ausländer so vorbildhaft benehmen, dass der Mittelwert ausgeglichen wird.
Höchstens bei der Einwanderungspolitik ergeben sich Unterschiede. Aber ob die Probleme da nur aus Armut oder auch kulturellen Gründen entstehen, ändert nichts an den Kosten.
Nur verstehe ich nicht, warum sich Leute über diese Kosten wundern. Natürlich brauchen Menschen, die aus einem Kriegsgebiet fliehen mehr Betreuung und Hilfe als Menschen, die in Sicherheit aufgewachsen sind. Es erwartet ja auch niemand von Kindern, die das Jugendamt retten musste, so angepasst wie der Durchschnitt zu sein. In gewisser Hinsicht sind die Probleme unter Flüchtlingen also ein Hinweis, dass diese Gruppe unsere Hilfe wirklich braucht.
Ich kenne dazu keine Zahlen, aber ich denke es gleicht sich zumindest teilweise an. Ohne es zu wissen vermute ich, dass trotzdem Unterschiede zumindest bei verschiedenen Untergruppierungen bleiben werden. Gerade häusliche Gewalt ist oft kulturell geprägt und die DUnkelziffer in dem Bereich dürfte extrem hoch sein.
Definitiv, aber wir arbeiten Gott sei Dank seit Jahren daran, solche Themen publik zu machen und ermutigen Fälle von häuslicher Gewalt zur Anzeige zu bringen. Und auch wenn es selbst für uns noch ein langer Weg ist, behaupte ich mal, dass die Kulturen der meisten Herkunftsländer das noch anders handhaben.
Das ist vermutlich das größte Problem an solch geladenen Themen. Links außen steckt sich die Finger in die Ohren, alles Mitte rechts macht Panik für Wählerfang.
Und so wird an dem Thema populistisch hin und her gezerrt statt sich damit auseinander zu setzen.
Auch wichtig: Ausländer ist nicht gleich Migrant. Es kann sich auch einfach um einen Turisten handeln. Daher ist der Anteil von Straftaten von Ausländern in relation zu Anteil von in Deutschland gemeldeten Ausländern nicht wirklich fair. Dafür müssten wir erstmal wissen wie viele verschiedene Ausländer sich wie viele Tage in Deutschland aufgehalten haben. Was wir einfach nicht wissen.
Pöbelnde Besucher eines ausländischen Fußballclubs wäre jedoch auch Touristen, wobei man sich Klischeehaft bei der Gruppe eine höhere Gewaltbereitheit vorstellt.
Valider Punkt, hast Recht. "Touristen" hat halt erst Mal andere Assoziationen ausgelöst, aber Grenzkriminalität gerade von Banden u.a. aus Frankreich und Niederlande ist nicht zu unterschätzen.
Wichtiger wäre mir die Beantwortung der Frage was mit "Ausländer" gemeint ist.
Das kann ja alles sein zwischen Menschen ohne Deutsche Staatsbürgerschaft und Menschen deren Aussehen mir "ausländisch" erscheint gemeint sein.
Das ist tatsächlich ein Punkt, der die Statistik verfälscht. Wenn ein LKW Fahrer aus dem Ausland durch Deutschland fährt und dabei eine Straftat gebeht, gilt das als Straftat eines Ausländers. Hätte er die Straftat nicht begangen, wäre er aber nicht als gesetzestreuer Ausländer in der Statistik aufgetaucht.
Stimmt soweit. Es geht hier nicht um den Status "Ausländer oder nicht", sondern um die Integration in die Gesellschaft. Sowas betrifft auch in Deutschland geborene Menschen, aber logischerweise natürlich mehr aus dem Ausland Zugezogene, die dank der großartigen (Nicht-)Integrationspolitik seit den 50ern bis gestern sich dann eben eigene Strukturen aufgebaut haben. Viele durften gar nicht arbeiten und wurden organisiert kriminell - finde den Fehler.
Es ist komplett unerheblich, woher die Menschen kommen, es geht darum, dass es nunmal eine Reihe von asozialen Entwicklungen seitens der Politik gab, die die gesellschaftliche Integration faktisch großflächig machten. Mit der Erkenntnis sollte es jetzt auch nicht so schwierig sein, die Transferleistung dahingehend zu erbringen, was man jetzt hier machen sollte.
Die Verteilung der Straftaten die durch in DE lebende Ausländer begangen werden wäre auch mal interessant. Unsere Justiz ist ja leider nicht dafür bekannt besonders effizient (oder wenigstens effektiv) zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass da ein sehr großer Teil der Straftaten auf eine verhältnismäßig kleine Gruppe an Straftätern fällt. Hab den Artikel ehrlicherweise nicht gelesen und nehme einfach mal an, dass das nicht aufgeschlüsselt ist. Vermutlich ist es auch gar nicht so einfach das datenschutzkonform zusammenzutragen.