Ein Professor, der keiner ist, falsche Angaben im Lebenslauf und ein mutmaßlicher Spion als Mitarbeiter. Wen die AfD nach Brüssel schicken will.
Ein Professor, der keiner ist, falsche Angaben im Lebenslauf und ein mutmaßlicher Spion als Mitarbeiter. Wie problematisch ist die AfD-Liste fürs EU-Parlament?
"Es ist ja nicht nur Krah, die ganze Liste ist Mist!", sagt ein einflussreicher AfD-Funktionär, der kurz vor der Europawahl nur hinter vorgehaltener Hand lästern will. Ein Bundestagsabgeordneter spricht gar von "der Liste des Grauens", die seine Partei für das EU-Parlament aufbiete.
Auf die umstrittenen Personalien seiner Partei für die Europawahl angesprochen, kündigt René Aust, Listenplatz drei, im ZDF-Interview an: "Wir werden jetzt erstmal bis zum Sonntag Wahlkampf machen und müssen dann natürlich als Partei das vergangene Jahr aufbereiten - mit all den Schwierigkeiten".
Also erstmal Stimmen einsammeln und hinterher kritisch fragen, wen man da eigentlich nach Brüssel geschickt hat. Denn von ihrer Wahlliste kann die AfD keine Kandidaten mehr streichen. ZDF frontal hat sich die aufgestellten Alternativen für Europa angeschaut. Der Kandidatencheck:
Höckes Helfer - Listenplatz 3
Weil die AfD ihre vorderen Kandidaten fast unsichtbar hält, rückt René Aust in den Fokus. Aust blieb bisher eher unauffällig, gilt aber als Ziehsohn und Helfer des rechtsextremen Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke.
2018 hatte er für seinen Chef maßgeblich ein Rentenkonzept erarbeitet, das bestimmte Leistungen nur für Deutsche vorsah. Später machte Höcke Aust zum Vize-Landesvorsitzenden und schlug ihn persönlich für die EU-Liste vor. Dafür dürfte er Loyalität einfordern.
"Der falsche Professor" - Listenplatz 18
Gunnar Beck hatte sich als Professor in London vorgestellt, obwohl er laut deutschem Recht keiner ist. In der Partei nennen ihn seitdem manche "den falschen Professor". Ein Verfahren wegen Titelmissbrauchs gegen ihn läuft noch, wie Beck auf Nachfrage von ZDF frontal schreibt.
Beck war als akademischer "Reader" in London tätig, was er mit "Professor" übersetzt hatte. Das entspreche der "Äquivalenztabelle britischer Berufsbezeichnungen", so Beck. Auch auf einem Wahlzettel tauchte der falsche Titel auf - ein Fehler, für den ein "Mitarbeiter im Büro des Bundeswahlleiters" verantwortlich sei, schreibt Beck.
Der Generalbundesanwalt hat einen engen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah wegen des Verdachts der Spionage für China festnehmen lassen.
"Die Hochstapler-Affäre" - Listenplatz 10 und 14
Ungereimtheiten im Lebenslauf finden sich auch bei zwei weiteren Kandidaten. Gegen Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch hat die Partei eine zweijährige Ämtersperre verhängt. Beide konnten Angaben in ihren Lebensläufen nicht belegen.
Eine parteiinterne Prüfung bestätigte die Vorwürfe: "Der Konvent rügt die festgestellten Ungenauigkeiten bei der Selbstdarstellung der Kandidaten". Von parteischädigendem Verhalten war die Rede. Trotz sogenannter Hochstapler-Affäre blieben beide auf der Wahlliste stehen. Für Parteiämter ungeeignet - für Brüssel gut genug.
Der mit Hitlers Wolfsschanze - Listenplatz 11
Siegbert Droese hat ein Faible für besondere Erinnerungsfotos: Auf einem Schnappschuss posiert er im ehemaligen "Führerhauptquartier Wolfsschanze" im heutigen Polen. Seine rechte Hand hält der Bundestagsabgeordnete auf Höhe des Herzens, die Mütze hat er abgenommen. Die AfD stellte ihn trotzdem auf.
Die mit den Remigrations-Fantasien - Listenplatz 9
Irmhild Boßdorf schaffte es mit einer zackigen Bewerbungsrede auf die Europawahlliste. In der befand sie, die Deutschen sollten statt dem menschengemachten Klimawandel eher den "menschengemachten Bevölkerungswandel" fürchten und forderte "millionenfache Remigration".
Frankreichs mächtigste Rechtspopulistin Marine Le Pen dürfte hellhörig geworden sein. Der Begriff "Remigration" ist selbst ihr zu radikal. Die Zusammenarbeit mit der AfD hat sie auch deshalb beendet.
Die Frau und das Penis-Thema - Listenplatz 4
Christine Anderson scheint ein Lieblingsthema zu haben, über das sich selbst Parteifreunde lustig machen: So schickten AfD-Parteigänger jüngst ein zusammengeschnittenes Video an Journalisten - mit dem Kommentar "hochnotpeinlich" - in dem sich Christine Anderson über "buntbemalte Pimmelparaden" und "Frauen mit Penis" mokiert.
Anderson hat es sich auch in der Parteiführung mit vielen verscherzt, zwischen ihr und den Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla ist das Tischtuch zerschnitten. Anderson ließ sich im April zur Delegationsleiterin der AfD in Brüssel wählen - gegen den ausdrücklichen Wunsch der Parteichefs. Deshalb gibt es nun keine gemeinsamen Wahlkampf-Auftritte.
Der mit den Bestechlichkeits-Ermittlungen - Listenplatz 2
Wenn es nach der Parteiführung geht, soll Petr Bystron für die AfD im Wahlkampf nicht mehr auftreten. Gegen den Bundestagsabgeordneten ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Geldwäsche.
Wegen Verdacht auf Bestechlichkeit wurde die Immunität des AfD-Politikers Petr Bystron aufgehoben. Das bayerische LKA durchsuchte im Zuge der Ermittlungen sein Bundestagsbüro.
Er soll angeblich vom prorussischen Propagandanetzwerk "Voice of Europe" Geld bekommen haben. Bystron bestreitet das. Dubios: An seiner Meldeadresse in seinem Wahlkreis in München lebt nicht Bystron mit Frau und Kindern, sondern ein vorbestrafter Flüchtling. Das deckten ZDF frontal und "Spiegel" Ende Mai auf.
"Schampus-Maxe" und der China-Spion - Listenplatz 1
Der Spitzname "Schampus-Maxe" ist in der AfD schon einige Jahre alt und soll neben Maximilian Krahs angeblichem Faible für prickelnde alkoholische Getränke auch seinen Lebenswandel beschreiben. Dennoch gönnte sich die Partei diesen Spitzenkandidaten, den Parteifreunde in Lästerrunden eine "tickende Zeitbombe" nannten. Mitten im Wahlkampf ist die dann explodiert.
Vorwurf der Käuflichkeit, Spionage-Verdacht im eigenen Büro und fragwürdiger Content auf TikTok: Was ist los bei Maximilian Krah, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl?
Krahs Mitarbeiter Jian G. wurde verhaftet, weil er für China spioniert haben soll. Krah trennte sich später von ihm. Ein weiterer Ex-Mitarbeiter Krahs soll einem mutmaßlichen Spion Russlands einen Hausausweis fürs EU-Parlament besorgt haben. Krah behauptete, den Mann nicht zu kennen.
Krahs Geschichtsrevisionismus führte sogar dazu, dass die AfD im EU-Parlament aus ihrer rechten Fraktion flog. In einem Interview hatte der Spitzenkandidat gesagt, in der SS seien nicht alle Verbrecher gewesen - was selbst Marine Le Pen zu radikal war.
Auch Krah soll eigentlich keinen Wahlkampf mehr machen, so wollte es die Parteiführung. Trotzdem klebt Krah Plakate, von der Liste fliegen kann er ja nicht. Es scheint, als sei für einen wie "Schampus-Maxe" das sprichwörtliche Glas eben nie halbleer, sondern immer halbvoll.
Das ist ja kein Problem der Europawahlliste. Das Personal im Bundestag, in diversen Landesparlamenten und überall sonst ist ebenso gruselig. Selbst wenn man überzeugt rechtsextrem ist, sollte die AfD mit ihrem Personal aus Kriminellen, Verwirrten und Betrügern unwählbar sein.